Tollkirschen und Brombeereis by Franziska Dalinger

Tollkirschen und Brombeereis by Franziska Dalinger

Autor:Franziska Dalinger [Dalinger, Franziska]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: Neufeld Verlag
veröffentlicht: 2013-04-19T22:00:00+00:00


Wie friedlich es hier ist. Die späte Nachmittagssonne glitzert auf dem Wasser, vervielfacht die Funken tausendfach. Es ist, als würde ein goldener Strom zwischen den Böschungen hindurchfließen. An der Biegung ist die gelbe Gruppe damit beschäftigt, eine Brücke aus Bohlen und Pfählen zu errichten. Außerdem gibt es ein Seil, mit dem man ans andere Ufer schwingen kann. Wie Tarzan fliegt gerade ein halbnackter Junge über das Wasser, lässt sich mit einem Aufschrei fallen und kommt mit einem Riesenplatscher auf. Ich wusste gar nicht, dass der Bach hier so tief ist. Das einzige Mal, als ich mich näher herangetraut habe, war ich an einer Stelle, wo er so flach war, dass ich die großen Steine im Bachbett sehen konnte.

»Hey«, rufe ich dem Jungen zu, als er nass und glücklich aus dem Wasser steigt. »Hast du vorhin ein paar Mädchen aus der blauen Gruppe gesehen?«

»Oh, unsere blauen Erntehelfer.« Er deutet eine Verbeugung an. So jung und schon so höflich. »Die waren da drüben auf der anderen Seite.«

Er zieht das Seil hinter sich her. »Du musst dich rüberschwingen, dann bist du genau da, wo sie waren.«

Das ist jetzt nicht sein Ernst, oder? Der Bursche ist vielleicht vierzehn, ein magerer Kerl mit abstehenden Ohren, aber er grinst hilfsbereit.

»Ich will nicht ins Wasser fallen.« Dazu habe ich überhaupt keine Zeit. Und erst recht keine Lust. Ich will nur wissen, was wir den Sanitätern erzählen müssen.

»Wirst du nicht«, verspricht der Junge. »Du musst halt nur erst loslassen, wenn du dort hinten bist.«

»Na schön.«

Ich packe das Seil, denn mir ist jetzt nicht nach Diskussionen.

»Du musst springen«, sagt er, und ich springe.

Alles geht wahnsinnig schnell. Ich fliege, klammere mich an das Seil, unter mir blitzt das Wasser auf, und dann bin ich drüben am anderen Ufer und lasse los. Ich rolle durch das Gras und über das meterhohe Kraut, das hier wächst, und spüre Steine und Äste unter mir.

»Geschafft!«, ruft mein Helfer fröhlich. »Du hättest ja auch die Brücke nehmen können, aber das hier ist der Turbo-Weg!«

Dafür verdient er, dass ich ihn erwürge, aber im Moment bin ich viel zu aufgeregt, um etwas anderes zu empfinden als drängende Eile. Ich schleudere das Seil zurück, da er abwartend die Hände ausstreckt. Das Adrenalin schießt durch meine Adern, bringt mich dazu aufzuspringen und die Böschung hochzuklettern. Hier hat die Sonne ungehindert Platz. Das dort sind Himbeeren. Dahinter wächst ein größerer Strauch mit vielen dunklen Beerendolden. Schwarze runde Beeren. Das sind sie, oder?

Und dann sehe ich etwas, das ich von Bildern kenne. Von unzähligen Bildern. Einen Zweig, an dem kleine dunkle Beeren sitzen, von denen jede einzeln in einen Kranz grüner Blättchen eingebettet ist.

Tollkirschen.

Ich strecke schon die Hand aus, um einen Zweig abzubrechen und zum Beweis mitzubringen, als der Junge hinter mir ruft: »Das würde ich nicht tun.«

Er klettert gerade die Uferböschung hoch. »Die Blätter sind auch giftig. Alles daran ist giftig. Weißt du das denn nicht?«

Nein, wusste ich nicht.

»Die Blätter sind sogar noch schlimmer als die Beeren. Was willst du denn damit?«

»Bekka und die Mädchen«, sage ich, »die haben davon gegessen.



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